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LOSLASSEN

TROTZ SCHWIERIGER ZEITEN NICHT VERZAGEN, SICH DER EIGENEN RESILIENZ VERSICHERN, STRATEGIEN ENTWICKELN, UM DEN ZUMUTUNGEN DES LEBENS ZU TROTZEN – HILFT DIE SUMME DER LEBENSJAHRE?

LOSLASSEN | Christiane Maass

Das treibt den Erben noch einmal die Tränen in die Augen und den Schweiß auf die Stirn: Nach dem Tod oder Umzug der Eltern ins Pflegeheim gilt es, deren Haushalt aufzulösen, eine Wohnung oder gar ein ganzes Haus auszuräumen. Was sich da über die Jahrzehnte alles angehäuft hat! Unglaublich! Von den Fotoalben längst verblichener Vorfahren über die Hinterlassenschaften der flügge gewordenen Kinder bis hin zu all den im Wohlstand gehorteten Wertgegenständen, die zum Wegwerfen für zu schade erachtet wurden.

Unsere Eltern gehören zur Kriegs- oder direkten Nachkriegsgeneration, haben Mangel erlebt und sich darüber zu regelrechten Vorratssammlern entwickelt. Das psychologische Moment dieser Sammelwut ist nicht zu unterschätzen. Meist haben wir das auch noch mit der Muttermilch aufgesogen, obwohl wir nie haben hungern oder frieren müssen.

Um genau dieses psychologische Erbteil geht es, wenn wir selbst versuchen, es anders (besser?) zu machen. Unsere Kinder sollen dereinst nicht vor einem Haufen Zeugs stehen, das wir ihnen aufbürden. Überhaupt ist Minimalismus und De-Cluttering (die Schweden sollen gar von „Death Cleaning“ sprechen) schwer in Mode.

Eine Japanerin ist gar zum Star der ganzen Bewegung geworden: Marie Kondo. Noch nie gehört? Aber jetzt! Gleich mal googlen. Das habe ich auch gemacht und nehme mir die grundlegenden Prinzipien der Methode zu Herzen. Beim Kleiderschrank anfangen! Aber ich scheitere schon an der Socken-Schublade. „Behalten Sie nur das, was Sie glücklich macht!“ Machen Socken glücklich???

Und schon wieder schlagen die Werte und Glaubenssätze durch, die mir meine Eltern und Großeltern vermittelt haben. Die schwarzen Socken sind zwar nicht mehr ganz schwarz, haben aber auch keine Löcher. Also kann ich die doch noch tragen! So wird das nichts mit dem De-Cluttering. Ich kann nicht mal Socken wegwerfen.

Aber reduzieren will und muss ich auf jeden Fall. Denn aktuell verkleinere ich meinen Wohnraum drastisch und damit auch meinen Stauraum. Von einem Haus mit 110 Quadratmetern auf eine 2-Zimmer-Wohnung mit gut 50 Quadratmetern. Ins Haus will nun meine Tochter mit ihrer wachsenden jungen Familie ziehen. Da gilt es kräftig auszusortieren. Das geht nur, wenn ich es schaffe loszulassen.


Loslassen ist eine schwierige, aber eminent wichtige Aufgabe im Leben. Wer sich darin übt, wird unweigerlich noch einmal mit der Vergangenheit konfrontiert. Spätestens, wenn es an die Erinnerungsstücke geht. Auch hier lautet der Ratschlag: „Behalten Sie nur, was Sie glücklich macht. Das Übrige verabschieden Sie liebevoll.“

Loslassen | Foto C. Maass



Ich hätte nicht gedacht, wie viele Erinnerungen in so einem Haus voller Sachen stecken. Das macht wirklich enorm viel Arbeit auszusortieren – und zwar nicht nur äußerlich, auch innerlich. Das braucht viel Zeit, Geduld und – Liebe. Zum Glück habe ich zumindest erstere. In Geduld muss ich mich üben. Und dann ist da noch die Liebe. In der Hoffnung, dass mir die bleibt, mache ich mich weiter ans Werk. Auch in der Liebe gilt es, immer wieder loszulassen.

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