Uncategorized

RESSOURCEN SEHEN. EINE ERFAHRUNG

RESSOURCEN SEHEN. EINE ERFAHRUNG | Thomas Avenhaus


In Zeiten, die schwer sind, ist es wichtig, die eigenen Ressourcen zu sehen und zu aktivieren, denn dann ist man resilienter gegen belastende Außeneinflüsse. ‚resiliere‘ heißt auf Deutsch „zurückspringen“ oder „abprallen“. Nun, wir wollen uns keine Teflon-Beschichtung zulegen, an der die Wirklichkeit abprallt und man gar nichts mehr spürt. Aber psychische Widerstandsfähigkeit ist das A&O bei all dem, was unsere Gesellschaft und unser Leben bedroht und was jede und jeden Einzelnen von uns in die Knie zwingt. Aufrecht weitergehen können wir nur, wenn wir ein starkes Knochen- und Psycho-Gerüst haben. Und diese Stärke kann man trainieren. Ich möchte an einem Beispiel erzählen, wie ich diese „Ressourcenstärkung“ erlebt habe.

Bei einem Wochenend-Seminar zur Biblio- und Poesietherapie am Fritz-Perls-Institut in Hückeswagen sollten wir Teilnehmenden ein Bild zu den Stationen unseres Lebens malen. Alle Workshops in dieser Weiterbildung bringen den Teilnehmenden Methoden der Selbstheilung und der Ressourcenstärkung bei – und zwar erst einmal am eigenen Leib, sodass man die gemachten Erfahrungen dann weitergeben kann. 

Zurück zum Bild: Wir saßen etwa zu zehnt in einem Seminarraum auf der Erde und hatten jede und jeder einen großen Bogen Papier und Wachsmalkreiden vor uns. Alle begannen mit ihrer Geburt und malten dann Lebensstationen an einer Linie, einem Weg oder an einem Fluss auf. Ich fing auch fröhlich an, aber merkte schnell, dass ich überhaupt keine Lust hatte, auf diese Weise in meine Biografie einzutauchen und comicartig wichtige Menschen oder Momente aus meinem Leben aufzumalen. 

So holte ich mir ein neues Blatt und fing an, bunte Farbfelder gegeneinander zu stellen: ein leuchtendes Gelb neben ein dunkles Grün, ein krasses Rosa neben ein genauso krasses Orange, darüber ein sattes Lila. So entstand ein buntes Bild, das mir schon ganz gut gefiel. Doch etwas fehlte. Ohne darüber nachzudenken, nahm ich ein Stück schwarze Wachskreide und malte schnell und intuitiv gezackte schwarze Linien über die Farbflächen, kreuz und quer über das Bild. Jetzt erschien mir das Bild fertig. Ich ging an die frische Luft. 

Als wir später in der Runde zusammensaßen und über die Bilder sprachen, realisierte ich, dass ich keine Erklärung für mein abstraktes Bild hatte. Ich sog mir also sprechend etwas aus den Fingern als ich drankam. Ich sagte in etwa, die Farben seien meine Ressourcen und die schwarzen Linien die Schmerzenslinien (Krisen, depressive Zustände, Angst etc.). Dabei geschah etwas Eigenartiges: Ich merkte beim Sprechen, dass es ja stimmte – es war nicht nur so dahingesagt, um nicht doof dazustehen. Die schwarzen Linien waren da, kräftig und bedrohlich, doch die Farben darunter und daneben leuchteten trotzdem. Das erzählte ich, mich Wort für Wort vorantastend – ohne dass die anderen merkten, dass diese Erklärung gerade eben erst beim Sprechen entstand. Etwas in mir hatte dieses Bild so gemalt und etwas anderes hatte es gedeutet, ohne Plan und Vorbereitung.

Diese Erfahrung – man könnte sie die „Es geschieht mit mir-Erfahrung“ nennen – habe ich ein paar Mal in der Weiterbildung erfahren und halte sie für mit das Spannendste, was einem passieren kann: Das Unbewusste legt sich offen, man schaut auf sich selbst und sieht, dass gute Kräfte in einem selbst haben etwas entstehen lassen. So habe ich nicht nur ein Bild über meine Ressourcen gemalt, sondern beim Malen gleich eine Ressource geweckt und anschließend entdeckt: meine Kreativität. 

Das Bild hängt heute bei mir in der Wohnung; ich schaue auf die Farben UND auf die Schmerzenslinien und werde jedes Mal an meine SELBSTWIRKSAMKEIT erinnert. Das ist noch so ein wichtiges Wort: Der kanadische Psychologe Albert Bandura prägte den Begriff in den 1970er Jahren: „self efficacy beliefs“. Selbstwirksamkeit, so Bandura, sei die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. 

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert