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PORTRAIT MARIANNE VOCKE

© Foto: Karin Harms


Da geht noch was! Mit knapp sechzig Jahren entdeckt Marianne Vocke eine neue Leidenschaft und feiert dieses Jahr ihr 30jähriges Bühnenjubiläum. Mit ihren Stabpuppen entführt die Puppenspielerin ihre Zuschauer*innen in eine verzauberte Welt

Der rote Vorhang öffnet sich, ein wildes Ungeheuer erscheint und Tamino singt um sein Leben, bevor er in Ohnmacht fällt und von drei edlen Damen gerettet wird. Vom ersten Moment an ist man gefangen von den bezaubernden Figuren in ihren aufwändigen Kostümen, von der fantasievollen Kulisse, und versinkt in einer Märchenwelt, in diesem Fall die „Zauberflöte“, die den Alltag und das Drumherum vergessen lässt.

Bis vor zehn Jahren hat Marianne Vocke die Sprechrollen noch selbst übernommen, inzwischen kommen sie wie die Musik und die Arien vom Band, und sie beschränkt sich darauf, die Stabpuppen zu führen, für die passende Kulisse zu sorgen und Ton- und Lichttechnik zu bedienen. Dass man dabei hin und wieder ihre grauen, kurz geschnittenen Haare aufblitzen sieht, tut dem Zauber keinen Abbruch.

Gerade hat sie ihr 30jähriges Bühnenjubiläum gefeiert, Freunde und Förderer haben ihr in ihrem verwunschenen Garten ein schönes Fest bereitet. Natürlich hat sie es sich nicht nehmen lassen, eins ihrer ersten Stücke, Hase und Igel, aufzuführen. Die Urkunde für die „Selbstmacherin des Jahres 2023“ ist ihr fast ein bisschen peinlich. Doch so ist es. Marianne Vocke ist alles in einer Person: Puppenmacherin und -spielerin, Regisseurin, Kostümschneiderin und Kulissenbauerin. Alles perfekt durchdacht und liebevoll angefertigt.

Angefangen hat sie mit den Puppen in einem Alter, in dem andere sich auf einen gemütlichen Ruhestand einrichten. Doch bevor es soweit war, ließ sie sich in jungen Jahren erst einmal zur Opernsängerin ausbilden. Schon früh wurde ihr Gesangstalent erkannt und – gar nicht so üblich zur damaligen Zeit – von den Eltern gefördert. Eine theateraffine Mutter und ein Vater mit kreativen Ambitionen unterstützten die begabte Tochter, die bald schon erste Engagements erhielt wie die Adele in der Fledermaus und Papagena in der Zauberflöte. Zusätzlich absolvierte sie eine Ausbildung zur Schauspielerin. Nach vielen Stationen in ganz Deutschland landete sie der Liebe wegen in Lausanne, wo sie ebenfalls als Konzert- oder Chorsängerin arbeitete, aber sich auch der Familienarbeit und Kinderbetreuung widmen musste. „Immer wenn ich eine Pause machte als Sängerin, habe ich mir andere kreative Tätigkeiten gesucht“, erzählt sie.

Als sie eine Puppenmacherin kennenlernt und sich in die Kunst des Puppenbauens einführen lässt, ist sie gleich Feuer und Flamme. „Es machte mir große Freude und gleich die ersten Handpuppen, später Marionetten, gelangen mir gut“, freut sie sich. Ans Spielen denkt sie vorerst noch nicht, sondern verkauft ihre Puppen auf Kunsthandwerkermärkten, nur hin und wieder spielt sie in der heimischen Küche ihrer Tochter kleinere Szenen vor. Schon bald bietet sie selber Workshops an und als eine Nachbarin sie anstupst, wie sie augenzwinkernd gesteht, beginnt sie, sich auch mit Kulissenbau zu beschäftigen und ein erstes Stück zu inszenieren. Inzwischen hat das Leben sie nach Garding geführt, dort und in Sankt Peter Ording gibt sie Puppenbaukurse in der Volkshochschule, für kurende Mütter oder in Schulen. Die erste eigene Aufführung findet mehr oder weniger zufällig statt: sie springt für eine Märchenerzählerin ein, die wegen eines überraschenden Eisregens nicht zur Veranstaltung kommen kann. Die Kinder, die „angeschlittert“ kommen, sollen nicht enttäuscht werden.

Von da an gibt es kein Halten mehr, Marianne Vocke hat ihre Berufung gefunden, in der sie ihre Begeisterung für Musik, Theater und Malerei verbinden kann, und sie macht sich mit viel Elan an die Entwicklung weiterer Stücke. Auch die langwierige Verletzung eines Armes, die das Führen von Handpuppen unmöglich macht, kann sie nicht daran hindern, weiterzumachen. Sie sucht nach Lösungen und findet sie: aus den Handpuppen werden Stabpuppen und im Laufe der Jahre kommen immer mehr hinzu, denn ihr Repertoire wird immer größer. Märchen und Geschichten für Kinder, zwei Opern („Die Entführung aus dem Serail“ und „Die Zauberflöte“) für Erwachsene. Die Aufführungen finden in öffentlichen Gebäuden oder in ihrem Häuschen in Garding statt, bei schönem Wetter auch in ihrem Garten. Mit der Kofferbühne und ausgewählten Stücken geht es hin und wieder auf Gastspielreise.

Wenn sie aus ihrem bewegten Leben erzählt, von ihrer Karriere als Sängerin oder von den Aufführungen als Puppenspielerin, blitzen ihre Augen und man spürt die Hingabe, mit der sie das tut, was sie tut. Inzwischen ist alles vielleicht ein bisschen beschwerlicher geworden und geht nicht mehr so schnell, aber ans Aufhören denkt sie nicht. Keine großen Veranstaltungen mehr, aber man kann sie immer noch anrufen und nach einem Termin fragen. Wenn es passt, gibt es eine Vorführung im kleinen Kreis gegen Spende, und man kann sich entführen lassen in eine ganz besondere Welt.

Kontakt: www.puppentheater-vocke.de

Regina Seidel | 07.09.2023

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