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SCHREIBLUST


Schreibratgeber gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Seit sich auch in Deutschland herumgesprochen hat, dass zum Schreiben nicht nur ein gewisses Talent, sondern durchaus erlernbares Handwerk gehört, gibt es für jedes Genre die passende Anleitung. Viele der Bücher kommen aus Amerika, wo das kreative Schreiben eine lange Tradition hat und an Universitäten gelehrt wird. Mag sein, dass die Einladung zum Schreiben von Doris Dörrie deshalb so entspannt und inspirierend daherkommt, weil sie einige Jahre in Amerika gelebt und dort studiert hat.

Eine Freundin hatte mir das Buch „Leben Schreiben Atmen“ zum Geburtstag geschenkt und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Obwohl ich schon lange schreibe und viele Bücher über das Schreiben gelesen habe, hat es mich sofort in den Bann gezogen. Natürlich war ich auch ein bisschen neugierig, etwas

über Dörrie, deren Filme und Bücher ich sehr mag, zu erfahren, aber besonders begeistert hat mich ihre Fähigkeit, das Schreiben über sich selbst als Lebenselixier und das eigene Leben als unerschöpfliche Inspirationsquelle zu beschreiben. Das tut sie auf so unnachahmliche Weise, dass man sofort denkt, ja klar, stimmt.

In diesem Buch gibt es keine Schreibregeln, keine Tipps, wie man was am besten schreibt, um es zu verkaufen, keine Schreibaufgaben, sondern nur Anregungen und Impulse. Dörrie plädiert für intuitives Schreiben, möglichst mit der Hand, ohne viel nachzudenken oder sich um Rechtschreibung oder Grammatik zu kümmern. Ihre eigene Erzählweise macht einfach Lust aufs Schreiben und darauf, sich auf die Spuren der eigenen Erinnerungen zu begeben.

Um die Inspiration nicht verpuffen zu lassen und meinem inneren Schweinehund gar nicht erst die Möglichkeit zu geben, mich zu boykottieren, schenkte ich das Buch (natürlich nicht meins) einer ebenfalls schreibenden Freundin und fragte sie, ob sie nicht Lust hätte, gemeinsam mit mir mit diesem Buch zu „arbeiten“. (Arbeiten steht deswegen in Anführungszeichen, weil es auf keinen Fall Arbeit werden, sondern ausschließlich unserem Vergnügen dienen sollte.) Nachdem Corona unsere gemeinsame jährliche Schreibwoche schon zwei Mal zunichtegemacht hatte, war es wirklich an der Zeit, eine Alternative auszuprobieren.

Seitdem lassen wir uns Kapitel für Kapitel von Doris Dörrie inspirieren, greifen ihre Anregungen auf und landen oft ganz woanders. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wohin mein Schreiben mich führt und wie weit mich meine Gedanken von dem ursprünglich „Geplanten“ wegtragen. Eben war ich noch in meinem Kinderzimmer, an dessen Möblierung ich mich zu erinnern suche, da tauchen plötzlich Assoziationen und Erinnerungen auf, mit denen ich nie gerechnet hätte. Während ich ihnen gedanklich folge, schreibt meine Hand automatisch mit.

Wie Dörrie in ihrem Vorwort sagt, ist es nicht immer angenehm, über sich selbst zu schreiben, dann ist es manchmal tatsächlich einfacher, in die Schreibperspektive der dritten Person zu wechseln, um ein wenig Abstand zu gewinnen. Gleichzeitig erfahre ich häufig, dass sich unangenehme Erinnerungen relativieren können, Belastendes leichter wird oder sich sogar auflöst. Die Beschäftigung mit Dörries intensiven Texten inspiriert mich jedes Mal aufs Neue, frei herumzuexperimentieren, verschiedene Methoden und Herangehensweisen auszuprobieren und mich auf meine eigene Weise mit den Schreibimpulsen auseinanderzusetzen.

Alle drei Wochen tauschen meine Freundin und ich unsere Texte aus und treffen uns auf Zoom, um darüber zu sprechen. Obwohl wir uns schon ewig kennen, lernen wir uns dabei noch einmal von einer anderen Seite kennen, erfahren ganz viel über die andere, aber auch über uns selbst.

Wenn wir durch sind mit dem Buch, müssen wir wohl wieder von vorne anfangen, aber da es eine schier unerschöpfliche Inspirationsquelle zu sein scheint, dürfte das das geringste Problem sein.

REGINA SEIDEL | 05. MAI 2023

2 Kommentare

  • Iris Other

    .. ihr habt ( alle Vier) eine ineteressante Seite gestaltet, und ich werde immer mal wieder vorbeischauen, was es vielleicht Neues gibt.
    Bei so vielen Themen ertappte ich mich dabei, mit dem Kopf zu nicken. Ihr sprecht mir also aus der Seele.

    Wunderbar! Weiter so!

    • thoregch

      Liebe Iris Other,

      herzlichen Dank für das wunderbare Kompliment. Wir gehen davon aus, dass wir Ihren Kommentar veröffentlichen dürfen?

      Ihnen schöne Pfingsten
      Ihr HappyPower-Team

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