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WOHNEN IM ALTER. ENTSCHEIDUNG IM ALTER

WOHNEN IM ALTER. ENTSCHEIDUNG IM ALTER / Thomas Avenhaus


Vor 15 Jahren kamen die ersten Einschläge: Krebs und Herz. Damals hatte der Sohn seine Eltern gefragt: Wollt ihr nicht umziehen, in meine Nähe, in eine seniorengerechte Wohnung? Aber den Eltern war der Gedanke fremd und durch die Krankheiten, die viel Kraft aufbrauchten, schien keine Energie für große Entscheidungen übrig zu bleiben.

So blieben sie in ihrem Haus wohnen. Als sie nach einiger Zeit die Krankheiten halbwegs im Griff hatten, wollte der Sohn sie nicht noch einmal mit der Frage nach einem Umzug verunsichern.  Sie waren zu müde, um große Entscheidungen zu treffen. Denn schon die Frage: Was essen wir heute Mittag? war anstrengend.

Jetzt sind sie weit über 80 und es wird immer schwieriger, die Selbstständigkeit im Haus aufrecht zu erhalten. Sie haben eine Mini-Jobberin, die einkauft und putzt. Der Sohn kommt  alle drei Wochen für eine Woche in sein Elternhaus. Irgendwann zieht vielleicht eine Hilfe ein. Die Pflegestufen sind beantragt. Alles richtig gemacht und doch: Es gibt überall Geländer, aber sie stolpern und fallen. Die Haustür bleibt aus Versehen offen. Es gibt Terror-Anrufe von Verbrechern, die die Enkel-Tricks anwenden und beide Eltern in Angst und Schrecken versetzen. Die Mutter kann nicht mehr alleine bleiben, der Vater ist deshalb auch ans Haus gefesselt.
Als es vor einigen Wochen viele Pannen mit der Haushaltshilfe gab, der Kühlschrank leer war und die Wohnung nicht geputzt, die Eltern ihren Sohn blass und klapprig empfangen haben, zeigte der Sohn ihnen – wie er es schon oft getan hat – Bilder von Seniorenwohnanlagen in Potsdam und Berlin-Grünau, direkt am Fluss. Die Eltern schauten sich die Bilder sehnsüchtig an. Am nächsten Tag sagte die Mutter, sie habe die halbe Nacht wach gelegen und nachgedacht: Sie könne unmöglich umziehen, sie hielte mit ihrer Konstitution einen Umzug nicht aus. Der Sohn gab ihr Recht. Es war zu spät.


EINE GANZ NORMALE GESCHICHTE

Das ist eine ganz normale Geschichte, die wahrscheinlich in vielen Familien ähnlich läuft. Es ist auch nichts Weltbewegendes – schon gar nicht für eine Generation, die früh gelernt hat, sich zusammen zu reißen. Und verglichen mit vielen anderen Leben ist es vermutlich immer noch ein halbwegs würdevolles und umsorgtes Alt-Werden. Trotzdem: Es bringt Unfreiheit, Angst und Gefahren mit sich. Und es hat einen leicht bitteren Beigeschmack, der davon kommt, dass keine 

Entscheidungen getroffen wurden. Denn die Eltern sind in diese Situation unmerklich hineingerutscht. Wie wäre es, wenn sie sich bewusst und aktiv zu einem anderen Lebensmodell entschlossen hätten? Eine Alters-WG? Eine Seniorenwohnung? Ein Mehrgenerationen-Haus? Das Gefühl, sich für etwas bewusst entschieden zu haben, gibt dem Leben vielleicht eine andere Farbe. 

Kann man für sich selbst etwas draus lernen? Wahrscheinlich: Bleib wachsam. Merke den Zeitpunkt, an dem dir dein bisheriges Wohnmodell nicht mehr passend erscheint. Informiere dich. Überlege für dich selbst die Parameter, die für dich ein gutes Wohnen im Alter bestimmen.  Mach Listen. Frage andere. Triff eine Entscheidung. Ob sie richtig oder falsch ist, kannst du jetzt noch nicht sagen. Aber du kannst dir später sagen: Ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und nach bestem Wissen gehandelt. Du kannst dir auch später immer wieder sagen: Ich prüfe weiterhin, ob ich gut und richtig wohne und bleibe offen für andere Lösungen. Ich entscheide für mich. Jetzt und später. Und das ist doch die halbe Miete, oder?

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